Ressourcen von morgen

Ressourcen von morgen

Grundprinzip Kreislaufwirtschaft. Auf vielen Baustellen ist sie bereits angekommen, allerdings noch nicht bei allen Entscheidungsträgern. Was in Zukunft passieren muss, damit sich das ändert und welche Rolle dabei neue Geschäftsmodelle spielen, diskutierte die Experten-Runde beim Round Table zum Thema Kreislaufwirtschaft.

Die Immobilie der Zukunft muss die Möglichkeit haben, auf entsprechende Materialienbörsen zurückzugreifen. Hier ist auch die Politik gefragt, um solche Materialienbörsen zu forcieren und zu fördern“, eröffnet Doris Wirth, ÖGNI Vize-Präsidentin und geschäftsführende Gesellschafterin von

Bluesave, die Diskussion. Neben der Politik und den Förderungen liege, so Wirth, die Verantwortung aber auch bei der Finanzwirtschaft: „Mit der EU-Taxonomie wird erstmals der Geldhebel gedrückt, aber ich denke, dass das noch nicht weit genug geht. Der digitale Zwilling mit der Erfassung von Materialien und Ressourcen sollte sich in der gesamten Bewertungsstrategie einer Immobilie wider-

spiegeln!“ Die Digitalisierung ist und bleibt folglich ein bestimmendes Thema in Bezug auf die Kreis-

laufwirtschaft. „Ohne Informationen geht es nicht“, ist auch Hubert Rhomberg, CEO und Gründer der Rhomberg Gruppe, überzeugt. Die Daten zu erfassen, so Rhomberg, würde maßgeblich dazu beitragen, den Materialien ein „Preisschild“ anzuheften und so dem Eigentümer den eigentlichen Wert der Immobilie begreiflich zu machen.

Für Stephan Messner von AluKönigStahl braucht es nicht nur Gesetze und entsprechende Förderungen, auch im Bereich des Urban Minings, sondern „es ist vor allem

der Bauherr gefragt. Es geht darum, die Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden auf Gesamtkosten zu bewerten und davon wegzukommen, die Immobilie ausschließlich ertragsorientiert zu betrachten“, ist Messner überzeugt. Eine Sichtweise, die er mit Wirth teilt: „Der Paradigmenwechsel hin zur ge-

samtheitlichen Betrachtung einer Immobilie ist entscheidend. Solange sich die Aspekte der Kreislaufwirtschaft nicht monetär niederschlagen, haben wir nur Idealisten, die hin und wieder tolle Gebäude hinstellen“, bringt es Wirth auf den Punkt.

Theorie versus Praxis

Der kontrollierte Rückbau von Bestandsimmobilien sei, so Oliver Gusella, Abteilungsleitung

ÖBA und seit Jänner 2022 Geschäftsführer und Partner bei Vasko + Partner Ziviltechniker für Bauwesen und Verfahrenstechnik GesmbH, bereits gesetzlich vorgeschrieben. In Zukunft wird es jedoch wichtig sein, „z.B. Fügetechniken von Baustoffen bzw. -elementen sowohl für die Errichtung als auch für einen effizienten Rückbau von Bauwerken noch rückbaufreundlicher zu planen und so den Anteil der kreislauffähigen Rückbaumasse zu optimieren.“ Gusella sieht hier auch die Industrie für einen ressourcenschonenden Einsatz von recycelten Bauprodukten in der Verantwortung. „Selbst in der Beton- und Zementindustrie sehe ich hier gibt es durch den Einsatz sowie Weiterentwicklung von z.B. recycelten R-Betonen noch großes Potenzial.“ Ein gut geplanter Bauablauf sowie Baulogistik mit einem zentralisierten Abfallmanagement sei, so Gusella, ein Lösungsansatz auf der Baustelle,

um bereits in der Errichtungsphase eine sortenreine Trennung von Abfällen sicherzustellen. Damit wird der nicht wiederverwertbare Anteil minimiert und gleichzeitig die Qualität der Bauführung gesteigert. „Verschnitt, der beispielsweise beim Trockenbau entsteht, könnte direkt vom Hersteller abgeholt werden und wieder in die Produktion einfließen.“ Die Lösung? „Jede Baubehörde Österreichs soll neben der Baubeschreibung und dem Einreichplan zwei Dinge verlangen: eine Ma-

terialliste und eine Rückbauanleitung. Wie genau diese sein muss, spielt keine Rolle,“ wirft Rhomberg ein. Das würde dazu führen, dass bereits bei der Planung eine intensive Auseinandersetzung mit der Kreislauffähigkeit einzelner Stoffe stattfindet. So viel zur Theorie.

Ein Ansatz, der in der Praxis allerdings keine Anwendung findet, weshalb Messner, die Position vertritt, der größte Impact sei in einer Bestandanalyse zu erzielen. „Man muss sich anschauen, wo die meisten Fehler passieren, wo der meiste Abfall entsteht bzw. welche Gebäudetypen am meisten

Energie brauchen, um am Prototypen neue Konzepte entstehen zu lassen. Wenn man das macht, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass das Produzieren auf der Baustelle verschwinden muss. Das heißt, die Fertigung der Gebäudeteile verlagert sich in

die Produktionsstätten. Dadurch lassen sich Prozesse und die Qualität ressourcenschonend optimieren.“

Mit der Verordnung von BIM, dem sogennanten Building Information Modeling, ließen sich allerdings von Anfang an Prozess vereinfachen, standardisieren und vor allem Material kreislauffähig einsetzen. Ist das der Grund, weshalb Skandinavien beispielsweise so viel weiter beim Rückbau von Gebäuden

ist als Österreich? „Definitiv“, ist Rhomberg überzeugt. „Ich habe die Hoffnung, dass diese

Entwicklung über die Tranzparenz der Daten kommen wird. Denn mit dieser wird es neue

Businessmodelle geben.“ „BIM ist längst keine Raketenwissenschaft mehr“, wirft

Messner ein und „die Kreislaufwirtschaft ist ohne die Digitalisierung nicht möglich. Die

Digitalisierung von Gebäuden und Wertstoffbörsen ist die Grundvoraussetzung“, fasst es Wirth zusammen.

Umdenken auf allen Ebenen

Digitalisierung, Standardisierung, aber wer soll eigentlich die Mehrkosten tragen? Welche Mehrkosten, lautet die Antwort unisono. Mehrkosten, die beim Neubau entstehen würden, sind für Rhomberg kein Argument:

„Wenn man konsequent ist und die Fehlerquote deutlich reduziert, kostet der Bau eines kreislauffähigen Gebäudes keinen Cent mehr.“ Sowohl bei der Planung als auch bei der Logistik.

Die Aussage, dass das Bauen einer kreislauffähigen Immobilie zwangsläufig teurer sein muss, sei pauschal und „stimmt definitiv nicht. Eine integrale sowie smarte (Generalkonsulenten-) Planung und die Betrachtung der Lebenszykluskosten sind hier notwendig.

Es gibt zudem bereits Vertragsmodelle, bei denen auch firmenspezifisches Produktions Know-how im Zusammenhang mit einem z.B. kreislaufähigeren Modul- bzw. System-

bau früher in die Planung miteingebunden werden kann, um so über damit einhergehenden Effizienzreserven, Kosten als auch Bauzeit zu sparen“, berichtet Gusella aus der Praxis. Aktuell hat die Kreislaufwirtschaft aber keine eigene Lobby, sind sich alle Teilnehmer des Round Table einig. Der Gesetzgeber ist gefordert und somit auch die Politik.

Die EU-Taxonomie sei ein erster Schritt, aber „der Investor und der Bauherr brauchen auch einen steuerlichen Anreiz, um diesen Weg zu gehen“, ist Messner überzeugt. Eine eigene Lobby wird es erst geben, wenn neue Geschäftsmodelle entstehen. Und diese Entwicklung ist aufgrund der Digitaliserung und der daraus resultierenden Materialbörsen schon jetzt in vollem Gange. „Aber auch

das Potenzial für KMUs und handwerkliche Tätigkeiten im Bereich Kreislaufwirtschaft ist enorm“, so Wirth. Denn das Thema Kreislaufwirtschaft umfasst viele Aspekte, wie etwa auch die Umnutzung von Flächen. „Es braucht Geschäftsmodelle. Auch die Regionalplanung ist extrem aufgerufen, zum

Thema Kreislaufwirtschaft zu arbeiten. Das passiert derzeit noch gar nicht.“ Ressourcen von morgen sind also sehr viel mehr, als nur ein einzelner Baustoff. Die Digitalisierung und das Erfassen von Daten wird die Kreislaufwirtschaft in Zukunft vorantreiben, ein Umdenken in der Politik wird es aber erst mit neuen Businessmodellen geben. Um es mit Wirths Worten zu sagen: „Die Kreislaufwirtschaft muss ein Grundprinzip werden, nicht nur in der Großindustrie, wir brauchen es auch in den kleinen Strukturen. Es muss in die Herzen der Menschen hinein, weil wir es auf allen Ebenen brauchen.“

 

IMMOFOKUS Ausgabe 01/2022 von Amelie Miller

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